Eine Auswahl geschichts-, sozial- und politikwissenschaftlicher Bücher zum Thema Migration
Klaus Neumann
Blumen und Brandsätze
Eine deutsche Geschichte 1989–2023
Geb., 512 S., 2 Karten
Klaus Neumann untersucht die unterschiedlichen Motivationen, Schutz zu gewähren oder Schutzsuchende abzuweisen. Im Mittelpunkt seiner Betrachtung stehen dabei lokale und lokalpolitische Auseinandersetzungen: im Westen Hamburgs und im südöstlichen Sachsen. Sein Buch erlaubt neue Einblicke in dreieinhalb Jahrzehnte deutscher Geschichte und ist zugleich ein Plädoyer für eine umfassende und gut informierte Debatte über die Frage, warum Deutschland Schutzsuchende aufnehmen sollte.
Mira L. Siegelberg stellt in ihrem vielfach ausgezeichneten Buch den politischen und rechtlichen Umgang mit Staatenlosigkeit in der internationalen Politik in den Mittelpunkt. Die Historikerin zeigt, wie und warum das Problem der Staatenlosigkeit zu einem neuen Verständnis der internationalen Ordnung im 20. Jahrhundert führte. Sie rekonstruiert erstmals die Geschichte dieser umstrittenen Rechtskategorie, die die Beziehungen zwischen Staaten und ihren Bürgerinnen und Bürgern neu definierte. Auch zu einem besseren Verständnis aktueller Probleme und Dilemmata trägt dieses originelle und brisante Buch bei.
Tobias G. Eule | Lisa Marie Borrelli | Annika Lindberg | Anna Wyss
Hinter der Grenze, vor dem Gesetz
Eine Ethnografie des europäischen Migrationsregimes
Geb., 344 S.
Hinter der Grenze, vor dem Gesetz ist ein rechtssoziologischer Beitrag zur Debatte um Migrationssteuerung und Zugehörigkeit. Die Studie beschreibt den Umgang mit »unerwünschter« Zuwanderung, aber auch wie das Aufenthaltsrecht angewandt, ignoriert und umgedeutet wird; wie Recht und Rechtsanwendung Handlungsspielräume von Migrant:innen ermöglichen und begrenzen. Die Autor:innen beleuchten die Perspektiven von staatlichen Akteuren, NGOs, Menschen mit prekärem Rechtsstatus und verschiedenen Institutionen und kommen zu dem wichtigen Ergebnis, dass alle involvierten Akteur:innen immer wieder in kafkaesken Zeitschlaufen gefangen sind.
Laut Jacqueline Bhabha ist das globale Phänomen der Migrationsbewegungen keineswegs historisch einmalig und die Bezeichnung »Krise« nicht zielführend. Bhabha fordert vom globalen Norden, die kollektive Verantwortung für Vertriebene und Geflüchtete anzunehmen, sie mit koordinierten Maßnahmen angemessener unterzubringen und systematisch die globale Ungleichheit von Einkommens-, Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten zu bekämpfen. Eine Reform der internationalen Flüchtlings- und Migrationspolitik ist nicht zuletzt eine Frage des gerechten Umgangs mit den Bedürfnissen kommender Generationen.
Menschen haben Rechte, allein aufgrund der Tatsache, dass sie Menschen sind – so die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948. Dem widerspricht Hannah Arendt mit ihrem Konzept vom »Recht, Rechte zu haben«: Nur als Mitglied einer politischen Gemeinschaft kann eine Person Grundrechte in Anspruch nehmen. Arendts Befund ist die Unzulänglichkeit der Menschenrechte als kohärentes theoretisches Konzept für demokratische Politik. Die Autor:innen aus unterschiedlichen Fachbereichen – darunter Geschichte, Recht, Politik und Literaturwissenschaft – analysieren den Satz von Hannah Arendt, kontextualisieren ihn in zeitgenössische Debatten und politische Problemlagen.
Ortlose Migranten, Flüchtlinge und für »überflüssig« gehaltene Menschen – in ihrem Schicksal manifestiert sich die Tatsache, dass die Entwicklung der modernen Gesellschaften nicht in der Integration aller besteht. Tatsächlich hat, so Baumann, die kulturelle Logik der globalen Modernisierung etwas vom Orwellschen »Big Brother« – nämlich in der Anmaßung, zu bestimmen, wer gebraucht wird und wer nicht. Aus dieser Logik speisen sich Ängste, die Begegnungen mit »asylsuchenden« Immigranten ebenso prägen wie diffuse sicherheitspolitische Befürchtungen. Bauman liefert mit Verworfenes Leben einen scharfsinnigen Beitrag über die Ambivalenzen der Moderne und trägt so zu einem besseren Verständnis der Grundlagen unserer Gesellschaft bei.
Dass Menschen aufbrechen, um Verfolgung, materieller Not und den Gefahren zu entkommen, die kriegerische Auseinandersetzungen mit sich bringen, ist beileibe kein neues Phänomen. Auch beschränkt sich Aus- und Einwanderung nicht auf einige wenige Weltregionen, vielmehr kennt die Migration viele Orte und Zeiten. Will man verstehen, was ein sträflich unvorbereitetes Europa gegenwärtig als »Flüchtlingskrise« heimsucht, empfehlen sich Nachforschungen, die für historische Tiefenschärfe und instruktive Vergleiche sorgen.
Mit Beiträgen von Dirk Hoerder, Peter Gatrell und Didier Fassin
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