Vier Fragen an Ella Müller
Der Widerstand gegen Klima- und Umweltschutz wird oft mit ökonomischen Abstiegsängsten oder Unwissenheit erklärt. Trifft es das?
Es gibt plausible Gründe, umweltpolitische Maßnahmen abzulehnen, die Angst um den Arbeitsplatz gehört mit Sicherheit dazu – erst recht, wenn es um die Abwicklung ganzer Industriezweige geht. Auch habituelle Distanz zu Teilen der Umweltbewegung oder persönliche Ausgrenzungserfahrungen können zur Ablehnung von Umweltschutz führen. Solche Proteste sind ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Aushandlungs- und Lernprozesses um das angemessene Maß und die richtige Form von Umweltschutz.
Dass ein solcher Prozess extrem schmerzhaft, aufreibend, aber auch lehrreich und notwendig sein kann, zeigt die Auseinandersetzung zwischen Umweltbewegung und Holzindustrie um den Schutz der bedrohten Northern Spotted Owl im amerikanischen Nordwesten zwischen den 1970er und 1990er Jahren: Der Streit strapazierte Artenschützer, Holzfäller, Behörden, Regierung und Wissenschaft; der Niedergang der Industrie ließ sich nicht verhindern und auch weite Teile der außergewöhnlichen Urwälder wurden vernichtet. Trotzdem ist es am Ende gelungen, über Lagergrenzen hinweg politische Antworten zu formulieren und Mechanismen zu finden, solche existentiellen gesellschaftlichen Konflikte zu befrieden. Das gilt es anzuerkennen.
Ebenso wichtig ist es aber, den Zeitpunkt zu erkennen, an dem die Republikanische Partei diesen Aushandlungsprozess abgebrochen hat. Aus Kritik an Umweltschutzmaßnahmen wurde ein ideologisches Projekt. Der Fokus auf ökonomische Abstiegsängste ist spätestens seit diesem Moment irreführend und kann den Widerstand gegen Umweltschutz nicht mehr erklären.
Spätestens seit der Präsidentschaft von Trump und dem Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen gilt die Republikanische Partei global als Anti-Klimaschutz-Partei. In Ihrem Buch beschreiben Sie allerdings Momente, in denen es so etwas wie republikanische Umweltpolitik gab. Wie passt das zusammen?
Mir ist es wichtig zu zeigen, dass die Radikalisierung der Republikanischen Partei im Bereich Umwelt- und Klimaschutz kein Selbstläufer war, sondern das Ergebnis von politischen Entscheidungen und bewussten Weichenstellungen. Verknüpft man die Geschichte der amerikanischen Rechten mit der Umweltgeschichte, findet man immer wieder Momente, in denen die republikanische Führung offen für den Ausbau von Natur- und Umweltschutz war, während sie bereits gegen Bürgerrechte und Gleichberechtigung kämpften: Es war Richard Nixon, der 1970 die Environmental Protection Agency ins Leben rief; Ronald Reagan unterschrieb 1987 das Montreal Protocol und machte damit den Kampf gegen das Ozonloch zum Erfolg; George H.W. Bush reformierte den Clean Air Act und berief erfahrene Umweltschützer in sein Kabinett. Diese Entscheidungen waren selten das Ergebnis eines ausgeprägten Umweltbewusstseins oder einer romantischen Naturverbundenheit und die Kritik der Umweltbewegung an den ökologischen Bilanzen republikanischer Präsidenten war (und ist) berechtigt. Doch diese Momente zeigen, dass man sich den republikanischen Kampf gegen Umweltschutz nicht als Ausdruck konservativer Tradition vorstellen muss, sondern diese antiökologische Feindseligkeit gezielt in der konservativen Programmatik verankert wurde.
Die antiökologische Wende müsse man, so heißt es im Buch, im Zusammenhang mit einem grundlegenderen Konflikt um die amerikanische Demokratie sehen. Was bedeutet das?
Sucht man nach den Gründen für den Abbruch republikanischer Umweltpolitik, landet man in den 1990er Jahren, in denen sich die Parteiführung (angeführt von Newt Gingrich) entschloss, ihre schwindende Macht und ihren Verlust von Deutungshoheit durch Radikalisierung in allen politischen Feldern zu verteidigen. Erst diese bewusste Eskalation unterwarf die Umweltschutzdebatte vollständig den Dynamiken dessen, was wir oft als Kulturkampf beschreiben. Seinen existentiellen und hochpolitischen Charakter darf man aber nicht unterschätzen: Es geht um nicht weniger als die Auseinandersetzung zwischen einem christlichen, weißen, reaktionären Amerika und einem pluralistischen, liberaleren Teil der amerikanischen Gesellschaft.
Diese Verknüpfung zwischen Kulturkampf und ökologischer Frage wurde ausgerechnet in dem Moment herbeigeführt, in dem die Welt das Ausmaß der Klimakrise zu erahnen begann, wissenschaftlicher Konsens über die Ursachen hergestellt war und sich mögliche technische und politische Lösungen abzeichneten. Die Republikanische Partei bekam Schützenhilfe von der fossilen Industrie, die ihr Geschäftsmodell durch die Warnungen vor der Klimakrise gefährdet sah, und dem konservativen Medienbetrieb rund um Fox News, der das reaktionäre Projekt mit dem Aufbau einer abgeschotteten Lebens- und Informationswelt unterstützte.
Die Biden-Administration hat 2022 mit dem Inflation Reduction Act (IRA) ein wichtiges Klimaschutzprogramm verabschiedet. Wie wirkt sich dieser IRA auf die antiökologische Position der Republikanischen Partei aus und welchen Stellenwert nimmt das Thema Umweltschutz gegenwärtig in den US-amerikanischen Kulturkämpfen ein?
Der IRA lässt sich in seiner transformativen Wirkung kaum überschätzen: Es ist zwar bei Weiten nicht die ökologische Wende, die grüne Bewegungen in Europa fordern, aber es leitet endlich die industrielle Dekarbonisierung ein, die die Klimaforschung seit den 1980er Jahren fordert und auf die die Klimabewegung so lange hingearbeitet hat. Ein Jahr nach der Verabschiedung zeigt sich, dass die amerikanische Wirtschaft sowie Gemeinden und Städte die Subventionen und Steuererleichterungen nutzen, um sich aus ihrer Abhängigkeit von fossilen Energieträgern heraus zu industrialisieren – und zwar ganz besonders in den konservativen Staaten im Süden des Landes.
Das ändert allerdings nichts an der antiökologischen Politik der republikanischen Führung und hier wird der ideologische Charakter dieser Auseinandersetzung deutlich: Ron DeSantis etwa sabotiert die Energiewende in Florida, während der steigende Meeresspiegel die Menschen in dem Küstenstaat bedroht; die reaktionäre Mehrheit am Supreme Court baut Umweltschutzgesetze ab, wo immer sie kann (gerade erst wieder beim Schutz von Feuchtgebieten), und die republikanische Fraktion im Kongress banalisiert weiterhin die Klimakrise, während die Menschen in ihren Wahlbezirken unter den Folgen von Bränden, Dürren, Hitzewellen, Fluten und anderen durch fossile Brennstoffe verursachten Katastrophen leiden.
Die konservative Bewegung kennt keine Mechanismen mehr, sich zu mäßigen (erst recht nicht nach Niederlagen). Das zeigt sich auch im Bereich Klimaschutz. Der heutige Anti-Environmentalism der konservativen Bewegung ist entkoppelt von ökonomischen Interessen außerhalb der fossilen Industrie oder alltäglichen Sorgen der eigenen Klientel. Er speist sich aus dem ideologischen Kampf gegen eine liberale, pluralistische Demokratie und den kulturellen Abstiegsängsten großer Teile des weißen Amerikas.