1923
Gründung der NSDAP- und der SA-Ortsgruppe Gunzenhausen.
Vera Lucia, die zweite Tochter der Biellas, wird geboren.
1924
Gunzenhausen feiert sein 1100-jähriges Bestehen.
Bei der Gemeinderatswahl werden drei Nationalsozialisten in den Stadtrat gewählt.
1926
Neben der NSDAP zählt Gunzenhausen jetzt zehn weitere »völkische« sowie rechte Vereine mit jeweils einer Ortsgruppe.
1927
Der parteilose Dr. Heinrich Münch wird einstimmig zum Ersten Bürgermeister Gunzenhausens gewählt. 1932 wird er der NSDAP beitreten.
1928
Unbekannte schlagen die Fenster der Synagoge ein.
1929
Auf dem jüdischen Friedhof werden 18 Grabsteine umgestürzt und zum Teil zerstört.
1930
Die jüdische Gemeinde richtet einen ständigen Wachdienst für ihre Einrichtungen ein.
Jüdische Geschäfte werden immer häufiger boykottiert und angegriffen.
Eine Gymnasiastin beschuldigt den jüdischen Lehrer Arnold Kurzmann, die christliche Religion verunglimpft zu haben. Er wird vor Gericht freigesprochen.
Johann Paulus Appler, der spätere Erste Bürgermeister Gunzenhausens, wird NSDAP-Kreisleiter.
1931
Appler gründet die SS-Ortsgruppe Gunzenhausen.
Gauleiter Julius Streicher besucht zum wiederholten Mal Gunzenhausen.
Junge Nationalsozialisten überfallen den jüdischen Geschäftsmann Joseph Guggenheimer.
1932
Die Synagoge und das Judenbad (Mikwe) werden renoviert.
Im Altmühl-Boten werben Anzeigen vermehrt für »Hitler-Artikel«, wie z. B. SA-Hosen, SS-, SA-, HJ-Mützen und Parteiabzeichen.
NSDAP-Anhänger des benachbarten Dorfes legen am Südhang des Hesselbergs ein weithin sichtbares Hakenkreuz aus weißen Kalksteinen.
Bei der Reichspräsidentenwahl verzeichnet die NSDAP in Gunzenhausen einen Zuwachs von über 40 Prozent. Zwischen 67 und 77 Prozent der wahlberechtigten Gunzenhäuser stimmen für Hitler.
Der erste Bürgermeister Heinrich Münch tritt der NSDAP bei und ist fortan ein glühender Verehrer Hitlers.
An einer Kundgebung mit Adolf Hitler im extra errichteten Doppelzelt nehmen mehrere tausend Menschen teil.
Der Rektor des Diakonissenmutterhauses Henholtshöhe Pfarrer Ernst Keupp unterzeichnet seine Neujahrsgrüße bereits mit »Heil Hitler«
1933
Appler wird NSDAP-Reichstagsabgeordneter.
Der Marktplatz Gunzenhausens wird in Adolf-Hitler-Platz umbenannt.
Gunzenhausen weiht unter großem Beifall das »Denkmal der nationalen Erhebung« (im Volksmund »Hitlerdenkmal«) ein.
SA-Leute umstellen das in der Nähe gelegene Schloss Ellingen und führen Fürst Wrede in Fesseln ab.
100 Nationalsozialisten versammeln sich vor jüdischen Häusern und Geschäften und fordern lautstark »Schutzhaft« für die Juden Gunzenhausens.
Die Gerberstraße wird in Julius-Streicher-Straße umbenannt.
1934
25. März, der Blutpalmsonntag. 700 bis 1500 Personen ziehen marodierend durch Gunzenhausen, dringen in Wohnungen jüdischer Bewohner ein, misshandeln sie und sperren 29 Männer und sechs Frauen in das Gefängnis. Dabei kommen Jakob Rosenfelder und Max Rosenau ums Leben.
Die New York Times berichtet über den Pogrom.
Auf dem Hesselberg wird der 2. Frankentag mit Julius Streicher und Hermann Göring gefeiert.
SA-Führer und Reichsminister ohne Geschäftsbereich Ernst Röhm besucht Gunzenhausen.
Appler wird Zweiter Bürgermeister.
Der Steueramtmann und SA-Obersturmbannführer Karl Bär lässt den jüdischen Bankier Justin Gerst wegen angeblicher Bilanzunstimmigkeiten in Schutzhaft nehmen.
Kurt Bär, Neffe von Karl Bär und Rädelsführer des Blutpalmsonntags, erschießt den jüdischen Gastwirt Simon Strauß und verletzt dessen Sohn Julius schwer.
Nach dem Röhm-Putsch spitzt sich auch in Gunzenhausen der Konflikt zwischen SA und NSDAP zu.
Kurt Bär wird all seiner Ämter enthoben und das Berliner Innenministerium befiehlt, die SA in Gunzenhausen mit Polizeigewalt am Singen des Horst-Wessel-Liedes zu hindern.
Julius Streicher besucht das Diakonissen-Mutterhaus Hensoltshöhe.
1935
Curt Biella wird Mitglied der NSDAP.
Als der Erste Bürgermeister Heinrich Münch nach einer Blinddarmoperation stirbt, tritt Appler auf Anregung Julius Streichers seine Nachfolge an.
1936
Die »Heldengedenkstätte für die Toten des Weltkrieges und der Bewegung« wird eingeweiht, keiner der fünf jüdischen Gefallenen wird auf dem Epitaph erwähnt.
1938
Das Geschäft der Guggenheimers wird verkauft und arisiert, wie auch weitere jüdische Läden und Häuser in Gunzenhausen.
Curt Biella stirbt mit knapp 48 Jahren, seine Frau Wilhelmina führt das Fotoatelier weiter, später mit Unterstützung ihrer Töchter Olga und Vera.
Die Kennkartenpflicht für Juden wird eingeführt.
Appler zwingt die Israelitische Kultusgemeinde zum Verkauf der Synagoge und des jüdischen Schulhauses.
Erste Reichspogromnacht am 9. November: Die SA Gunzenhausen befiehlt die Niederbrennung der Synagoge, was der Feuerwehrmann Wilhelm Braun verweigert, vermutlich, weil die Stadt ihren eigenen Besitz nicht zerstören will.
Zweite Reichspogromnacht am 17. November: Appler fordert die Gunzenhäuser per Zeitungsanzeige auf, sich vor der Synagoge zu versammeln und dem Abriss der beiden Zwiebeltürme beizuwohnen.
1939
Die lokale NSDAP-Führung meldet nach Berlin, dass Gunzenhausen judenfrei sei.
Die Stadtverwaltung plant die Einrichtung eines sogenannten Judenarchivs und erwirbt zu diesem Zweck im Fotoatelier Biella ein Fotoalbum und eine Anzahl Fotos jüdischer Gunzenhäuser.
1940
Die Biellas fotografieren polnische Zwangsarbeiter_innen aus erkennungsdienstlichen Gründen.
1942
Auch sowjetrussische Arbeitskräfte werden jetzt in Gunzenhausen eingesetzt.
Die Firma Loos errichtet auf ihrem Werksgelände eine hölzerne Baracke für die »Ostarbeiter«.
1943
Ausländer müssen ab sofort das grüne Arbeitsbuch mit sich führen. Die Passbilder dazu liefert das Fotoatelier Biella.
1944
Menschen aus 24 Nationen halten sich jetzt in Gunzenhausen auf. Die meisten sind Flüchtlinge oder Zwangsarbeiter_innen.
1945
Die amerikanische Armee nimmt Gunzenhausen ein.
Die Amerikaner verhaften Appler nach den Kriterien des »automatic arrest« und bringen ihn in das Internierungslager Hersbruck.
J. D. Salinger wird als Angehöriger des CIC Detachment CAF 10 in Gunzenhausen stationiert.
1949
Appler muss sich wegen des Kaufs der Synagoge vor Gericht wegen räuberischer Erpressung verantworten. Er wird freigesprochen.
1981
Die Synagoge wird abgerissen.
1983
Wilhelmina Biella stirbt in Gunzenhausen.
1988
Vera Biella meldet den Betrieb des Fotoateliers ab.
2003
Entdeckung der Sammlung Biella während der Wohnungsräumung des ehemaligen Wohn- und Geschäftshauses der Familie Biella in der Hensoltstraße 3.
Bildnachweise
Abb 1: Stadtarchiv Gunzenhausen, Zeitungssammlung, Altmühl-Bote
Abb 2: Stadtarchiv Gunzenhausen
Abb 3: Stadtarchiv Gunzenhausen, Repertorium XXV, Bildsammlung (Postkartensammlung)
Abb 4: Stadtarchiv Gunzenhausen
Abb 5: Stadtarchiv Gunzenhausen, Repertorium XXV (Bildsammlung), Sammlung Biella, Rollfilm 33/3 Abb 6: Stadtarchiv Gunzenhausen