Aus dem Französischen von Michael Halfbrodt
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Die meisten politischen Systeme der westlichen Welt gelten als demokratisch – legitimiert durch freie Wahlen und einen Rechtsstaat, der sich zu den individuellen Freiheitsrechten bekennt und sie schützt. Laut Rosanvallon führen diese Legitimationsprinzipien zu einer Vorherrschaft der Exekutive: »Unsere politischen Systeme können als demokratisch bezeichnet werden, doch demokratisch regiert werden wir nicht.«
Die demokratische Teilhabe der Bürger_innen reduziert sich auf die Wahl von Repräsentanten und Regierenden, das heißt auf ein simples Verfahren zur Beglaubigung von Mächtigen und zur Bestätigung allgemeiner politischer Zielsetzungen. Wenn Demokratien zu reinen Genehmigungsdemokratien werden, sind soziale Verwerfungen die Folge. Im Extremfall können Genehmigungsdemokratien sogar diktatorische Züge aufweisen.
Auf der Grundlage seiner Analyse demokratischer Gegebenheiten entwirft Rosanvallon das Modell einer »Betätigungsdemokratie« als Garant einer guten Regierung. Eine Betätigungsdemokratie verkörpert die positive Seite des demokratischen Universalismus und ist der Schlüssel zum demokratischen Fortschritt. Voraussetzung ist, dass nicht nur die Exekutive, sondern auch Behörden, verschiedene Ebenen der Justiz und der gesamte öffentliche Dienst Umwandlungsprozesse vollziehen.
Rosanvallon fordert nicht weniger als eine demokratische Revolution, die über eine Neudefinition der Beziehungen zwischen Regierenden und Regierten führt – erst dann wird die Realisierung einer Gesellschaft der Gleichen denkbar.
Über Pierre Rosanvallon
Pierre Rosanvallon war von 2001 bis 2018 Professor für Moderne und Zeitgenössische Geschichte der Politik am Collège de France und Directeur de Recherche an der École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS).