
Zum Buch
Niklas Luhmanns Denken besticht dadurch, dass es geradezu leidenschaftslos in Erscheinung tritt. Seine Texte taugen weder zur politischen Programmatik noch zur Ableitung normativer Standards oder zur Kritik. Allenfalls Ironie über die »alteuropäische« Vermengung von Sein und Sollen und dosierter Spott verweisen auf eine Leidenschaft hinter dem Gestus des Distanzierten. Darin ist Luhmann ziemlich alteuropäisch – indem er nach den Bedingungen der Möglichkeit von politischer Programmatik, normativen Standards und kritischem Gestus fragt und sich nicht anschickt, dazu selbst einen Beitrag zu liefern.
Liest man Luhmann nicht nur als denjenigen, der sich den Bedürfnissen der Intelligenz und der Akademia nach handhabbaren Postulaten und pathetischer Diagnose fügt, erscheint ein erstaunlich moderner Soziologe, der Vieles von dem, was heute als Praxistheorie diskutiert wird, vorweggenommen hat.
Über Armin Nassehi
Armin Nassehi, Prof. Dr. phil., ist Inhaber des Lehrstuhls I für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.